„Die Ewigkeit durch die Sterne/L’éternité par les astres“. Ein Audio-Projekt der neopostdadasurrealpunkshow mit KP Flügel.
„Im Übrigen hatten die Wachen den Befehl erhalten,
in die Zellenfenster zu schießen, wenn er zu nahe an die Gitter herantrat…“
Im Zuge der Aufstände des arabischen Frühlings und der heftigen Debatte um die Schrift „Der Kommende Aufstand“ wird auch Louis Auguste Blanqui, das Monument der Revolte des 19. Jahrhunderts, neu entdeckt. Wenn auch durchaus kontrovers gesehen, fasziniert er, lässt nicht gleichgültig.
„Der bedeutendste der Pariser Barrikadenchefs, Blanqui, saß zur Zeit der Pariser Commune in seinem letzten Gefängnis, dem Fort du Taureau. In ihm und seinen Genossen sah Marx in seinem Rückblick auf die Junirevolution‚ die wirklichen Führer der proletarischen Partei. Man kann sich von dem revolutionären Prestige, das Blanqui damals besessen und bis zu seinem Tode bewahrt hat schwerlich einen zu hohen Begriff machen.“ Walter Benjamin, Passagenwerk
33 Jahre seines Lebens hat Louis Auguste Blanqui in Gefangenschaft verbracht. Ebenso oft ist er aus- und neu aufgebrochen. 1871, mit 66 Jahren, findet sich der alt, krank und müde gewordene Revolutionär hinter einem vergitterten Fenster mitten in der bretonischen Meeresbrandung wieder. Gewehrkolben warten davor. Aber auch die Sterne des nächtlichen Himmels. Blanqui schreibt „Die Ewigkeit durch die Sterne“. Seine Schwester, der er das Manuskript schickt, legt es erschreckt beiseite. „Meine ganze Hoffnung beruhten auf dieser Schrift. Niemand hat das Recht, mir zu sagen, ich sei ein alter Irrer“, schreibt er ihr verbittert. Gewiss hofft er, seine Richter mit einem naturwissenschaftlichen Werk milde zu stimmen. Weil er die Hoffnung auf die Revolution aufgegeben hat?
„Dieses Buch krönt die Phantasmagorien des Jahrhunderts mit einer letzten, kosmischen, welche insgeheim die bitterste Kritik an den andern einschließt. Die unbeholfenen Überlegungen eines Autodidakten, die den Hauptteil der Schrift ausmachen, sind die Vorbereitung einer Spekulation, die dem revolutionären Elan des Verfassers das furchtbarste Dementi erteilt“, wird Walter Benjamin es in seinem Passagenwerk deuten.
Doch in diesem ungeheuer geballten, monumentalen wie sperrigen Text zeichnen sich vielleicht noch ganz andere Spuren von „Hoffnungen“ ab, die sich dann wieder umkehren – oder auch nicht. So denkt Blanqui hier Unzeitgemäß-Zeitgenössisches von der Wiederkehr des Ewig-Gleichen (Nietzsche) und der wiedergefundenen Ewigkeit (Mallarmé), wirft die Fundamente der Quantenphysik voraus und nimmt Star Trek vorweg.
⇒ Skript © Jorinde Reznikoff
Vielschichtigkeit und Multiperspektivik dieses Testaments Blanquis, „Die Ewigkeit durch die Sterne“, im Kontext moderner Aufständigkeit sollen klanglich-textlich in Szene gesetzt werden. Der von Jorinde Reznikoff eigens ins Deutsche übersetzte Kerntext wird mit Zeitzeugnissen sowie unzeitgemäßen Resonanzen durch- und verwoben. Benjamin, Baudelaire, Mallarmé, Nietzsche, Blanquis Umkreis, Captain Kirk und „ihre DoppelgängerInnen aus Fleisch und Blut“ werden sich einmischen.
Die neopostdadasurrealpunkshow entwirft und spricht – Soundarbeiter/Musiker vertonen, basierend auf Live-Improvisationen – collagenhaft die Texte. Feature- und Soundart-Elemente verschmelzen. Musik und Sprache finden zueinander.
Zu den infernalisch-intensiven Texten von Blanqui entstehen intuitive, organisch wachsende Soundfragmente, unvorhersehbare und bekannte, lange erlernte und gerade verlernte. Schweben lassen heißt nicht warten müssen, sondern angreifen können.